Begründung des Widerspruch des Vereins gegen die erneute Änderung im Genehmigungsverfahren
Die Begründung des Widerspruchs basiert im Wesentlichen auf den folgenden Punkten:
1. Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot, § 34 BNatSchG
Zunächst hat die Stadt Konstanz mit ihrer Baugenehmigung v. 17.12.2020 gegen das Verschlechterungsverbot nach § 34 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verstoßen.
Das hat die Stadt Konstanz – sonderbarer Weise – in der Baugenehmigung v. 17.12.2020 selbst eingeräumt. Denn das faunistische Gutachten v. 29.7.2020 hat das Natura 2000-Gebiet „Konstanzer Bucht des Bodensees“ nicht allein für sich berücksichtigen, sondern mit anderen Gebieten in Beziehung gesetzt. Dies ist aber nicht zulässig. Jedes Natura 2000-Gebiet ist für sich und auch der dort angetroffene Tierbestand ist für sich zu betrachten. Es genügt daher nicht – wie das faunistische Gutachten v. 29.7.2020 – zu sagen, dass z.B. der Schwarzmilan dann eben wo anders nistet oder der Bestand selbst dann nicht gefährdet wäre, wenn der Schwarzmilan vom Büdingen-Gelände ganz verschwände.
Zudem hat die Stadt in der Baugenehmigung v. 17.12.2020 einfach die Ausführungen der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) v. 25.8.2020 wiederholt, wonach „alle Veränderungen und Störungen unzulässig [sind], die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets … in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können.“ >> nach dem faunistischen Gutachten v. 29.7.2020 kommt es nämlich auf dem Büdingen-Gelände mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlechterung. Dies ist jedoch mit dem § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes nicht vereinbar.
Im Weiteren werden aus diesen Ausführungen auch keine Schlussfolgerungen gezogen. Stattdessen wird die staatliche Aufgabe „Naturschutz“ im Hinblick auf das Büdingen-Gelände mit der Baugenehmigung v. 17.12.2020 widersinniger Weise dem Investor übertragen. Dieser kann dieser Aufgabe aber gar nicht gerecht werden, da er keine Hoheitsaufgaben wahrnehmen kann und zudem in einem tiefen Interessenkonflikt steckt: Denn er ist naturgemäß am Bau seines Vorhabens interessiert und weniger am Erhalt der Fauna, die seinem Vorhaben entgegensteht. Die Stadt kann ihre naturschutzrechtlichen Aufgaben daher nicht delegieren.
Die Absurdität der Situation zeigt sich im Weiteren daran, dass die Stadt den in der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) vom 25.8.2020 auch schon enthaltenen Passus, dass „[a]us naturschutzfachlicher Sicht … die vorgelegte Natura 2000-Vorprüfung daher entsprechend zu überarbeiten…“ ist, einfach abgeschrieben und in die Baugenehmigung v. 17.12.2020 aufgenommen hat. Diese Aufgabe ist jedoch der Stadt gestellt und nicht dem Investor.
Wichtig ist aber vor allem, dass dieser Passus der Baugenehmigung v. 17.12.2020 im Wege steht. Denn die Baugenehmigung beruht rechtlich darauf, dass keine „von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ dem geplanten Bauvorhaben entgegenstehen (§ 58 Abs. 1 Landesbauordnung Baden-Württemberg).
>> Wenn aber „[a]us naturschutzfachlicher Sicht … die vorgelegte Natura 2000-Vorprüfung … zu überarbeiten“ ist, stehen sehr wohl rechtliche – genau genommen naturschutzrechtliche – Vorschriften dem Bauvorhaben des Investors entgegen.
>> Die Stadt kann aber nicht beides, durch die Baugenehmigung v. 17.12.2020 zum Ausdruck bringen, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen UND gleichzeitig darauf hinweisen, dass es an einer ausreichenden naturschutzrechtlichen Begutachtung vorliegend fehlt. Die Baugenehmigung v. 17.12.2020 hätte daher schon aus diesem Grund nicht ergehen dürfen.
In ähnlicher Weise erfolgt auch eine Habitatstrukturanalyse und Relevanzprüfung nach §§ 44 und 45 BNatSchG nicht, so dass deren Einhaltung im Hinblick auf das Bauvorhaben der Antragstellerin nicht Gegenstand der Baugenehmigung v. 17.12.2020 werden konnte. Dasselbe gilt für eine Lärmimmissions-Prognose für das beabsichtigte Vorhaben auf dem Büdingen-Gelände.

2. Mangelhaftes faunistisches Gutachten
Zudem weist auch das faunistische Gutachten v. 29.7.2020, auf das sich die Baugenehmigung v. 17.12.2020 zentral abstützt, schwerwiegende methodische und inhaltliche Mängel auf. Diese führen dazu, dass das unzulängliche und insuffiziente faunistische Gutachten so zu behandeln ist, als sei es gar nicht vorhanden. Im Ergebnis fehlt damit nicht nur eine aktuelle und verlässliche gutachterliche Einschätzung der faunistischen Situation auf dem Büdingen-Gelände, sondern auch die in der Baugenehmigung v. 17.12.2020 hierüber getroffenen Aussagen hängen förmlich „in der Luft“ und haben keine inhaltlich-fachliche Abstützung.
Die Mängel des Gutachtens sind stichpunktartig folgende:
- Zunächst wird dem faunistischen Gutachten nicht der vorliegende Bauantrag v. 18.2.2020 „im Detail“ zugrunde gelegt. Stattdessen behandelt es die artenschutzrechtliche Betroffenheit des Büdingen-Geländes bloß „allgemein“. Diese Allgemeinheit des faunistischen Gutachtens v. 29.7.2020 ist umso nachteiliger, als das Gutachten dadurch vollends seiner Möglichkeit beraubt wird, das konkrete Bauvorhaben mit der dadurch eintretenden Situation auf dem Büdingen-Gelände zu kontrastieren.
- Zudem durchzieht ein weiterer schwerwiegender methodischer Fehler das gesamte faunistische Gutachten v. 29.7.2020. Denn das Gutachten wechselt in lockerer Abfolge zwischen den Erkenntnissen aus den Jahren 2006, 2018 und 2020 hin- und her. Auf diese Weise kommt es zu einer Art „improvisierter Gesamtschau“ aus drei verschiedenen Beobachtungsjahren. An vielen Stellen des faunistischen Gutachtens wird daher gar nicht klar, welche Zustandsbeschreibung und Bewertung für welchen Zeitpunkt gilt und welche ggf. als überholt anzusehen ist.
- Stattdessen hätte im Jahr 2020 ein aktuelles, fundiertes und vollständiges Gutachten angefertigt werden müssen. Aber das Gutachten begnügt sich mit einem „bunten Crossover-Mix“ aus verschiedenen Alt-Gutachten der Jahre 2006 bzw. 2018 sowie einigen Gegenwartsbeobachtungen des Jahres 2020.
- Im Weiteren erfolgte die Begutachtung im Jahr 2020 erst Ende Mai, so dass keine „vollständige Brutvogelerfassung nach den einschlägigen Richtlinien erfolgen“ konnte. Damit ist das Gutachten gleich zu Beginn als unvollständig ausgewiesen. Das gesamte Gutachten, insbesondere die Aussagen zu Brutvögeln, bleibt damit unvollständig und sein Aussagegehalt insuffizient.
- Zudem erfolgten zu wenige Begehungstermine des Büdingen-Geländes. Im Jahr 2018 gab es nur zwei Termine, 2020 sogar nur einen. Dass diese Anzahl zu gering ist, räumt das Gutachten selbst ein. Auch hiermit wird die Aussagekraft des faunistischen Gutachtens v. 29.7.2020 erheblich geschmälert.
- Weitere inhaltliche Unzulänglichkeiten ergeben sich beispielsweise daraus, dass im faunistischen Gutachten andere schützenswerte Tierarten als Vogelarten und Fledermäuse nicht „erwartet“ wurden. Über diese Frage hätte mit weiteren Begehungen die erforderliche Klarheit und Sicherheit gewonnen werden können.
- Im Ergebnis sind die dadurch hervorgerufenen inhaltlichen Mängel so schwerwiegend, dass das Gutachten insgesamt als insuffizient anzusehen ist. Die hierauf beruhende Genehmigungsentscheidung der Stadt Konstanz v. 17.12.2020 kann dadurch nicht anders als rechtswidrig eingestuft werden.